Milchkühe: Die Anbindehaltung muss weg
Nur jede dritte Kuh darf im Sommer auf die Weide
Die Anbindehaltung ist vor allem in Süddeutschland ein Problem. Aber die Haltung in Laufställen muss sich ebenfalls verbessern – auch in Schleswig-Holstein.
Ein Shitstorm ist im Zeitalter sozialer Medien nicht ungewöhnlich. Schön ist er gleichwohl nicht. Vor kurzem erwischte es die Molkerei Ehrmann aus dem beschaulichen Schönegg im Unterallgäu (Bayern). Undercover-Ermittler der Tierschutzorganisation Aninova waren auf kleineren Bauernhöfen in der Ehrmann-Region Unterallgäu unterwegs. Auf Höfen, die nach eigener Aussage seit längerem die regionale Molkerei beliefern. Die Milchkühe grasten jedoch nicht, wie von Ehrmann suggeriert, auf Weiden und Almen. Sie standen vielmehr angebunden im Stall. Das Video führte auf Instagram zu einem Eklat für Ehrmann.
Im Frühjahr war die Molkerei Hochwald aus Thalfang in Rheinland-Pfalz mit ihrer „Bärenmarke“ in einen ähnlichen Fall verwickelt; diesmal war es Greenpeace, das die unschönen Details in die Öffentlichkeit brachte.
Shitstorms für Molkereikonzerne
Die beiden Fälle werfen ein Schlaglicht auf ein ernstes Problem in der Rinderhaltung. Mittlerweile werden nach einer Studie des Thünen-Agrarinstituts zwar nur noch zehn Prozent der Milchkühe angebunden, also in sogenannter Anbindehaltung, gehalten. 90 Prozent leben in Laufställen. Das klingt gut. Doch einerseits entsprechen die Laufställe oft nicht modernen Tierschutzstandards und sind beispielsweise mit Betonspaltenböden ausgestattet, auf denen die Tiere sich die Hufen verletzen können. Und andererseits sind es gerade die kleinen Höfe, die an der traditionellen, aus Tierschutzsicht längst überholten Anbindehaltung festhalten. Meist tun sie das aus finanziellen, manchmal aus Platzgründen. Denn ein moderner Laufstall ist teuer und er braucht Platz. Zumal ein tierschutzgerechter.
In Schleswig-Holstein wird die Anbindehaltung de facto nicht mehr praktiziert. In Süddeutschland und insbesondere in Bayern, wo die Höfe im Schnitt noch kleiner und familiärer sind, dagegen schon. 50 Prozent des bayerischen Milchviehs werden in Anbindehaltung gehalten. Meist in saisonaler Anbindehaltung, das heißt „nur“ im Winter. Manchmal aber auch in ganzjähriger Anbindehaltung. Insbesondere das bedeutet, dass die Tiere nie frei umherlaufen, nie grasen dürfen.
Die Kühe sind dort, wo der Milchbauer sie haben will
Das weist aber zugleich auch auf ein Problem der Laufställe hin. Denn auch hier gilt: Nur noch jedes dritte Milchvieh darf im Sommer auf die Weide. Viele Landwirte sparen sich heute den Mehraufwand des teilweise zwei Mal täglichen Viehaus- und Vieheintriebs. Die Milchkühe sind auf diese Weise immer dort, wo der Milchbauer sie haben will: in unmittelbarer Nähe der Melkmaschine. Das hat auch das Landschaftsbild etwa im ländlichen Schleswig-Holstein verändert. Gehörten in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts die schwarzbunten Milchkühe zu den Wiesen und Koppeln des Landes, so ist das heute nur noch in weit geringerem Umfang der Fall. Viele stehen einfach ganzjährig im Laufstall. Und in Bayern, wo drei von elf Millionen deutschen Rindern leben, kommt gar noch die umstrittene und nicht tierschutzgerechte Anbindehaltung hinzu.
Nur Bio-Milchprodukte garantieren Weidehaltung
Zwei Konsequenzen liegen auf der Hand. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher: Wenn sie Milchprodukte kaufen, sollten sie zu solchen aus ökologischer Erzeugung greifen. Die Bio-Richtlinien garantieren anders als die Werbeversprechen der Molkereiwirtschaft die Weidehaltung von Milchkühen. Für die Politik: Sie sollte, wenn sie es mit dem Staatsziel Tierschutz ernst meint, die in der aktuellen Novelle des Tierschutzgesetzes vorgesehene Übergangsregelung von zehn Jahren für die ganzjährige Anbindehaltung verwerfen. Denn dies bedeutet in der Realität, dass ein großer Teil der heute lebenden bayerischen Milchkühe in ihrem Leben nicht mehr in den Genuss frischer Luft und saftiger Weiden kommt.