Koalitionsvertrag: Wenig Licht, viel Schatten

Koalitionsvertrag: Wenig Licht, viel Schatten

Union und SPD beim Tierschutz widersprüchlich und vage

Gerade Qualzuchten wie French Bulldog werden online gehandelt. Ein wirkliches Verbot des Online-Tierhandels wird nicht kommen. Foto: Erik McLean/Pexels

Unterstützung von Tierheimen, Verbot nur des anonymen Online-Tierhandels – und den Wolf zum Abschuss freigegeben.

Der Tierschutz hat im Koalitionsvertrag von Union und SPD kein eigenes Kapitel. Enthalten ist er nur als Unterpunkt des Kapitels „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“. Genau genommen nicht einmal das. Denn der Unterpunkt heißt eigentlich „Nutztierhaltung und Tierschutz“, umfasst 21 Zeilen und beginnt mit dem Satz: „Wir bekennen uns zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und setzen uns für verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit ein.“

21 Zeilen „Nutztierhaltung und Tierschutz“

Damit ist der Ton gesetzt. Tiere in der Landwirtschaft sind aus Sicht von Union und SPD zunächst einmal Nutztiere und haben zu funktionieren. Die 21 Zeilen enden mit drei kurzen Sätzen: „Zoologische Gärten sind wichtige Institutionen des Artenschutzes und der Bildung, deren Arbeit und Investitionen wir unterstützen. Zusätzliche Haltungsverbote in zoologischen Einrichtungen lehnen wir ab. Ebenso unterstützen wir Tierheime bei Investitionen.“

In Zoos und Tierheimen dürfen Tiere Tiere sein. Der letzte Satz macht Hoffnung. Doch bleibt abzuwarten, ob und wie er in die Tat umgesetzt wird. Dem Vernehmen nach stehen für Investitionen in Tierheime 80 Millionen Euro bereit. Angesichts der Tatsache, dass Tierschutz Verfassungsziel ist, sollte dies eigentlich selbstverständlich sein.

Schlachthöfe: Videoüberwachung soll lediglich „geprüft“ werden

Ansonsten findet sich zwischen Beginn und Ende des Unterpunkts zu „Nutztierhaltung und Tierschutz“ viel Licht und Schatten. Und vor allem viele vage Andeutungen. Etwa dieser Satz: „Wir prüfen die Videoüberwachung auf Schlachthöfen.“ Was hält Union und SPD davon ab, die Videoüberwachung in Schlachthöfen obligatorisch zu machen? Welches Risiko ginge damit einher? Welche Bevölkerungs- oder Berufsgruppe fürchtet die wahrscheinlich künftige Regierung damit zu vergraulen? Nach den Skandalen der letzten Zeit ist die Videoüberwachung im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Oder hat die Fleischbranche etwas zu verbergen?

Viele Fragen, wenig Antworten. Einerseits versichert die künftige Koalition, den tierwohlgerechten Stallbau fördern zu wollen. Andererseits sollen Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und Tiergesundheitsrecht „praxistauglich“ gestaltet werden. Was heißt das konkret? Ist es gut oder ist es schlecht für die Tiere, für den Tierschutz?

Online-Tierhandel: kein echtes Verbot

Dann dieser Bandwurmsatz: „Wir werden den Tierschutz stärken und schaffen eine praxistaugliche Rechtsgrundlage für Kontrolle und Kennzeichnung von toten Tieren in Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte, verbieten den Handel mit Haus- und Heimtieren im öffentlichen Raum (unbeschadet Tierbörsen und -märkten) sowie anonym online.“ Das offensichtlich geplante Verbot des anonymen Online-Tierhandels wird allerdings eher folgenlos bleiben, da die meisten Plattformen ohnehin Namen verlangen. Der Rest bleibt wieder vage. Denn was ist eine „praxistaugliche Rechtsgrundlage“? Soll die bisherige Praxis hier der Maßstab bleiben? Und: Tierbörsen und Tiermärkte sollen offensichtlich erhalten bleiben.

Übrigens gibt es noch einen weiteren tierschutzrelevanten Unterpunkt im Kapitel „Ländliche Räume“: den Herdenschutz. Und der ist ein Schlag ins Gesicht des Tierschutzes: „Wir unterstützen den Herdenschutz und setzen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie unverzüglich in nationales Recht um. Mit den notwendigen Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sorgen wir für eine rechtssichere Entnahme von Wölfen. Wir nehmen den Wolf umgehend ins Jagdrecht auf und erneuern dabei das Bundesjagdgesetz (BJagdG) punktuell.“

Wolf zum Abschuss freigegeben

Hier haben sich offenbar insbesondere die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit einer harten Linie gegen den Wolf und einem Schmusekurs mit den Jägern durchgesetzt. Völlig unberücksichtigt bleibt dabei, dass bei fast allen Rissen von Nutztieren die Herdenschutzmaßnahmen entweder komplett fehlten oder absolut unzureichend waren.

Ein letzter Satz aus dem Koalitionsvertrag: „Die Landwirtinnen und Landwirte sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und sind unsere natürlichen Partner bei Themen wie Umwelt-, Klima-, Natur- sowie Tier- und Artenschutz.“ Man möchte antworten: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

 

Viel hat der schwarz-rote Koalitionsvertrag nicht übrig für den Tierschutz. Screenshot: fb

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