Der Luchs – kein Bösewicht
Im Harz wurde er zum Maskottchen

Der 11. Juni ist der Tag des Luchses. Nicht annähernd so angefeindet wie der Wolf, sollen seine Siedlungsräume nun verknüpft werden.
Der Wolf ist seit seiner Wiederansiedlung in deutschen Wäldern in aller Munde. Besonders laut sind seine Gegner, die es zuletzt sogar geschafft haben, dass er unter bestimmten Umständen wieder gejagt werden darf – gegen jede wissenschaftliche Vernunft. Anders der Luchs. Auch er, genau genommen der Eurasische Luchs, ist seit der Jahrtausendwende wieder in Deutschland heimisch geworden – vor allem im Harz, aber auch im Bayerischen Wald, dem Pfälzer Wald, im Erzgebirge und im Thüringer Wald. Neben der nicht mit einer verwilderten Hauskatze zu verwechselnden Europäischen Wildkatze ist der Eurasische Luchs, biologisch eine Kleinkatze, die einzige Wildkatze in Mitteleuropa.
Die Wiederansiedlung des Luchses ging in aller Regel still und ohne große Diskussionen vonstatten. Und das ist sicher nicht von Nachteil für den Luchs. Aber woran liegt es, dass die von einigen wenigen überlebenden Leoparden im Kaukasus abgesehen größte europäische Wildkatze in Deutschland fast unbehelligt von Jagd und Landwirtschaft leben kann?
Es scheint mehrere Gründe zu geben. Der erste: Es gibt weniger Luchse als Wölfe in Deutschland. Etwa 150 bis 250 Luchse stehen rund 1.300 Wölfen gegenüber. Zudem: Der Wolf lebt und jagt in Rudeln. Der Luchs dagegen, ganz Katze, für sich allein. Die Reviere der Tiere erreichen dabei eine beeindruckende Fläche: Weibchen beanspruchen 50 bis 100 Quadratkilometer, männliche Tiere in der Regel 150 Quadratkilometer oder sogar mehr. Zum Vergleich: Das Lübecker Stadtgebiet umfasst rund 214 Quadratkilometer, das von Kiel etwa 118 Quadratkilometer.
Im Harz ist der Luchs schon ein Maskottchen
Im Harz lebt die größte deutsche Einzelpopulation an Luchsen, vermutlich 55 erwachsene Tiere plus jährlich 35 Jungtiere. Tendenz steigend. Im Harz, in dessen niedersächsischem Teil im Jahr 2000 die Wiederansiedlung des Luchses begonnen hatte, hat es der Luchs auch geschafft, zu einer Art Maskottchen zu werden. Nicht unwichtig für das Mittelgebirge, das stetig um seine touristische Relevanz kämpfen muss. Und eben auch ein Faktor, der Diskussionen von dem Tier fernhält.
Und obwohl der Speiseplan von Luchs und Wolf prinzipiell ähnlich aussieht – Paarhufer und Kleinsäuger – ist es wohl doch so, dass der Luchs als Einzel- und Pirschjäger sich noch stärker von Nutztieren fernhält als der Wolf. Rinder beispielsweise scheiden von vornherein aus, Übergriffe auf Schafe sind sehr selten. Die Leibspeise des Luchses scheint eindeutig das Reh zu sein. Wobei hinzuzufügen ist, dass auch der Wolf in erster Linie Wild jagt. Und Nutztiere im Normalfall nur dann etwas zu befürchten haben, wenn an Schutzmaßnahmen gespart wurde.
Anders als der Wolf ist der Luchs auch davon verschont geblieben, eine Rolle als Bösewicht in Märchen und Mythen übernehmen zu müssen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für den Luchs.
Luchse auf Wanderschaft
Der Luchs als Einzelgänger legt teilweise große Wegstrecken zurück. Das trifft besonders für männliche Jungtiere zu, die sich auf die Suche nach eigenem Revier und Sexualpartner begeben. Das kann buchstäblich ins Leere laufen, wenn ein Luchs aus dem Harz etwa auf die Idee kommt, gen Norden zu wandern. In der Lüneburger Heide oder an der Ostsee wird er derzeit kaum auf junge Luchsdamen treffen.
Das funktioniere „nach Trial and Error“, vertraute Ole Anders, der Leiter des Harzer Luchsprojekts, jüngst der Berliner „taz“ an. Laufe der Luchs aus dem Harz dagegen gen Süden, bestehe die Möglichkeit, dass er bereits im Thüringer Wald auf Artgenoss:innen stoße. Damit komme dem bislang kleinsten Siedlungsgebiet des Luchses in Deutschland eine Schlüsselposition zu: Denn es schaffe die Verbindung zu den Siedlungsräumen im Erzgebirge und im Bayerischen Wald. Auf lange Sicht könnte dies auch einer möglichen Inzucht der Luchse in ihren voneinander relativ isolierten Siedlungsgebieten vorbeugen.