Das Elend der Katzen

Katzen dürfen nicht für die Gleichgültigkeit von Politik und Gesellschaft bezahlen

Das Leid der Straßenkatzen ist das große versteckte Tierschutzproblem. Foto: Deutscher Tierschutzbund

Statt Ausgangsverboten wie im baden-württembergischen Walldorf muss endlich eine flächendeckende Kastrationspflicht her.

Jede zehnte der gut 15 Millionen Hauskatzen in Deutschland ist nicht kastriert. Zu diesem Ergebnis war eine Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes im vergangenen Jahr gekommen. Doch diese etwa eineinhalb Millionen unkastrierte Freigänger sind nicht allein – hinzu kommt eine unbekannte Anzahl an Straßenkatzen, von denen nur ein Bruchteil kastriert ist. Allein in Schleswig-Holstein wird die Zahl ausgewilderter Haus- und Straßenkatzen auf mindestens 50.000 bis 75.000 Tiere geschätzt. Bundesweit wird von rund zwei Millionen Straßenkatzen ausgegangen. Aber lediglich zwölf Prozent der Gemeinden in der Bundesrepublik hat bislang eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen erlassen.

Auf der anderen Seite müssen im baden-württembergischen Walldorf – südlich von Heidelberg gelegen – die Katzen im Sommer dafür „zahlen“, dass ein Neubaugebiet drei von fünf Brutpärchen der streng geschützten Haubenlerche verbrämt hat. Walldorfs Katzen müssen seit 2022 bis mindestens 2025 jeweils von April bis August drinnen bleiben. Ohne jeglichen Beweis, dass die Katzen tatsächlich ein Exemplar des geschützten Vogels gerissen hätten. Bislang hat dieses Ausgehverbot keine einzige Haubenlerche nach Walldorf zurückgeholt. Es ist allgemein bekannt, dass die Haubenlerche offene Areale und Grasflächen schätzt. Aber nach Bebauung derselben meist verschwindet.

Eine Kastrationspflicht käme allen zugute

Eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen würde allen dienen – den wild oder frei lebenden Katzen, weil ihre prekäre Lebensform, de facto das große, versteckte Tierschutzproblem schlechthin, auf mittlere bis lange Sicht zum Auslaufmodell würde. Den potenziellen Beutetieren, weil der jagdliche Druck der hungrigen, freilebenden Katzen nachließe. Der Gesellschaft, weil der Druck auf Tierschutzvereine und ihre Tierheime sowie die Gemeinden nachließe, immer mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Katzen zu schaffen.

Der Appell an alle Katzenhalter, wirklich alle ihre Katzen kastrieren zu lassen, ist unerlässlich. Er kann aber nur der erste Schritt sein. Er muss begleitet sein von der Einführung einer möglichst flächendeckenden Kastrationspflicht für alle freilebenden Katzen in Deutschland. Leider hat die Bundesregierung dies mit ihrem Entwurf zum neuen Tierschutzgesetz wieder außer Acht gelassen.

Frank Behrens

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