Brauchen wir die Zoos noch?

Brauchen wir die Zoos noch?

Nach dem Tod der zwölf Nürnberger Paviane

Guinea-Pavian im Tiergarten Nürnberg (2005): in Transportkisten erschossen und an Raubtiere verfüttert. Foto: Jakub Friedl CC BY-SA 2.0

Mit der Tötung von zwölf gesunden Guinea-Pavianen im Nürnberger Zoo verliert die Institution Tierpark ihre Unschuld. Die Frage nach ihrer Berechtigung wird lauter.

Dag Encke tritt in der Öffentlichkeit betont transparent auf. Seit Anfang 2024 hatte der Nürnberger Zoodirektor immer wieder davon gesprochen, dass sein Zoo zu viele Guinea-Paviane habe. Etwa 45, obwohl nur 25 in das im Jahre 2009 erweiterte Pavian-Gehege passen. Und dass einige davon, gäbe es nicht doch noch eine andere Lösung, getötet werden müssten.  Denn wiederholt sei es zu Auseinandersetzungen zwischen den Guinea-Pavianen gekommen. Ein Tier habe aufgrund schwerer Kampfverletzungen gar eingeschläfert werden müssen.

Die Guinea-Paviane sind in ihrer natürlichen Umgebung in Westafrika vom Aussterben bedroht. Zoos wie der in Nürnberg reklamieren deshalb einen wichtigen Auftrag für sich: den Artenschutz. Obwohl klar ist, dass in Gefangenschaft geborene Tiere niemals ausgewildert werden können. Sie können immer nur in menschlicher Obhut leben. Und sterben.

Soziale Konflikte im Gehege

Encke sprach auch davon, dass die Versuche, den Nachwuchs der Guinea-Paviane mittels implantierter Chips einzudämmen, nicht erfolgreich gewesen seien; die Pavianweibchen hätten oft gar keine Junge mehr bekommen, seien de facto unfruchtbar geworden, was nur dazu geführt habe, dass es jetzt zu wenig Nachwuchs gab und mithin neue Konflikte in der Gruppe der Guinea-Paviane. Auch die Versuche, Tiere an andere Zoos oder Auffangstationen abzugeben, waren nicht von Erfolg gekrönt. Nichts habe gepasst, argumentierten der Tiergarten Nürnberg und sein Direktor Encke, der übrigens seit Juni auch Präsident des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) ist.

Am Dienstagmorgen dieser Woche standen Schulklassen und Touristen am Tiergarten Nürnberg vor verschlossenen Türen. Aus „betrieblichen Gründen“ sei der Zoo geschlossen, hieß es auf eilig aufgestellten Schildern. Es wurde empfohlen, andere Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besuchen. Das Albrecht-Dürer-Haus zum Beispiel. Was sich auf dem Zoogelände abspielte, blieb den verhinderten Besucherinnen und Besuchern dennoch nicht verborgen. Tierschützerinnen und Tierschützer protestierten gegen die offensichtlich bevorstehende Tötung der Guinea-Paviane. Einigen gelang es sogar, auf das Gelände vorzudringen.

In Transportkisten erschossen

Ohne Erfolg. Zwölf gesunde und erwachsene Guinea-Paviane – drei Männchen und neun Weibchen – wurden narkotisiert und in Transportkisten erschossen. Zwei der Tiere waren bereits durch die Narkose gestorben. „Tierschutzkonform per Kugelschuss“ nennt der Tiergarten Nürnberg diese, es lässt sich kaum anders ausdrücken, Hinrichtung von Primaten. Das Muskelfleisch der getöteten Tiere werde laut Zoo nun so weit möglich an Raubtiere verfüttert.

Das Tierschutzgesetz schreibt als Grund für die Tötung von Tieren einen „vernünftigen Grund“ vor. Da dieser offensichtlich nicht gegeben ist und die Tiere aus Platzmangel erschossen wurden, stellt der Deutsche Tierschutzbund Anzeige gegen den Tiergarten Nürnberg.

„Der Tierschutz wird in Nürnberg mit Füßen getreten, das mussten wir auf dramatische Weise erleben“, sagt Ilona Wojahn, Vorsitzende des Landesverbands Bayern des Deutschen Tierschutzbundes. Der Artenschutz werde als Argument vorgeschoben, um sich aus der Verantwortung für die Tiere zu stehlen, obwohl die Guinea-Paviane nicht für eine Wiederauswilderung vorgesehen seien.

Köln züchtet und tötet Löwenwelpen

Nürnberg ist kein Einzelfall. Erst vor zwei Wochen waren im Kölner Zoo zwei Löwenwelpen eingeschläfert worden, weil ihre Mutter sie nicht annehmen mochte. Ganz abgemagert waren die Kleinen schon. Der Grund: Löwin „Gina“ war noch damit beschäftigt, ihren Nachwuchs von 2024 aufzuziehen – in freier Wildbahn ein völlig normales Verhalten. Doch die Zoos haben offensichtlich ein Interesse daran, auch bei Raubtieren wie den Löwen jährlich Nachwuchs zu produzieren. Es ist der gleiche Effekt wie bei den Ferien auf dem Bauernhof, die nur mit süßen kleinen Kätzchen so richtig gelungen sind. Klar, dass der Bauer seine Katzen nicht kastrieren lässt.

Ähnlich ist es im Zoo. Schon im Herbst soll „Gina“ wieder Mutter werden – dann, so der Zoo Köln, sei der Wurf von 2024 auch aus Sicht der Mutter eigenständig genug. Von einer „Zucht wie am Fließband“ spricht die Tierschutzorganisation PETA. Und es fällt schwer, ihr zu widersprechen.

Fast alle Zoos töten Tiere. Entweder um den Bestand zu regulieren oder, viel häufiger noch, um Futter für die eigenen Raubtiere zu haben. Das Schlachten von Hirschen, Kaninchen, Ziegen oder Schafen geschieht meist unter dem Radar der Öffentlichkeit. Bei Löwen oder erst recht Primaten wie den Pavianen gelingt dies nicht.

Der Berliner Zoo distanziert sich angesichts der Kritik am Vorgehen in Nürnberg und Köln von „systematischen Tötungen“. Er setze auf strenge Fortpflanzungsregulierung, eingeschläfert werde nur in Ausnahmefällen, sagte eine Sprecherin dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Wie ein hundertprozentiges Dementi klingt auch das nicht.

Während der Corona-Pandemie standen die Zoos ohne Besucher:innen und mit unsicherer Futterversorgung monatelang mit dem Rücken zur Wand. Einige wie der Tierpark Neumünster hatten schon „Notfallschlachtpläne“ entwickelt, die dann aber doch nicht in die Praxis umgesetzt wurden. Es scheint fast, als näherten sich die Zoos als Institution jetzt, mit der Tötung der zwölf Nürnberger Paviane, der Grundsatzfrage: Brauchen wir Zoologische Gärten? Oder sind sie ein Auslaufmodell?

Frank Behrens

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